Dienstag, 11. Juni 2024

Votum zur Jahresrechnung 2023

Gemeindeversammlung Bolligen 11.06.2024, Traktandum 1 "Jahresrechnung 2023"

  • Die Grünliberalen haben sich vertieft mit der Jahresrechnung 2023 auseinandergesetzt. Anlässlich unserer Mitgliederversammlung von Ende Mai beschlossen wir einstimmig, dem Antrag des Gemeinderates zuzustimmen und die Jahresrechnung 2023 zu genehmigen. Es freut uns, dass ein Gewinn von knapp 1.6 MCHF erzielt werden konnte. Das Jahresergebnis 2023 ist zwar positiv, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir bezüglich den Gemeindefinanzen weiterhin besorgt in die Zukunft blicken müssen.
  • Bereits im Jahr 2022 betrug die Nettoschuld pro Einwohner*in rund 2'300 Franken. Damit steht Bolligen im Vergleich zu den anderen Bernern Gemeinde schlecht da. In nur 15 von insgesamt 338 Berner Gemeinden war die Verschuldung höher. Als einzige Agglomerationsgemeinde Berns wies Köniz mit rund 3'200 Franken eine höhere Nettoverschuldung aus. Sogar die Stadt Bern hat tiefere Werte als Bolligen. Ende letztes Jahr stieg die Nettoschuld um 13% auf über 2'600 Franken.
  • Warum ist die Nettoverschuldung so relevant? Wie wir alle wissen, müssen Schulden finanziert werden. Sie verursachen Zinsen, und Pflichten zur Rückzahlung. Sie binden damit finanzielle Mittel, über die wir nicht mehr verfügen können. Das gilt in besonderem Masse auch für Bolligen. Die Gemeinde kann aufgrund Transferaufwänden nur über einen beschränkten Teil ihrer Einnahmen selbst bestimmen. Dieser Anteil wird mit steigender Zinslast kleiner.
  • In den letzten Jahren waren Schulden relativ unproblematisch. Das Zinsniveau war tief, teilweise sogar negativ. Die Zinsausgaben hielten sich daher in Grenzen. So betrugen die Zinsaufwände der Gemeinde Ende 2022 noch 460'000 Franken. Im letzten Jahr musste die Gemeinde jedoch drei neue Darlehen aufnehmen für insgesamt 12 Millionen Franken. Die Konditionen für diese neuen Darlehen haben sich verschlechtert. Die Zinsen haben sich teilweise verdreifacht. Der Finanzaufwand der Rechnung 2023 steigt in der Folge um 180'000 Franken resp. fast 40% gegenüber dem Vorjahr. Ende 2022 mussten nur 17 Berner Gemeinden – gemessen an ihren Erträgen – mehr für Zinsen ausgeben als Bolligen. In den Jahren 2027 und 2028 laufen fast die Hälfte der Darlehen der Gemeinde aus. 22 Millionen Franken müssen refinanziert werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Zinsniveau bis dann wieder absinken wird.
  • Es ist für uns daher irritierend, dass der Gemeinderat die maximale Nettoschuld pro Einwohner*in bei 7'000 Franken festlegt. Mit einer solch hohen Schuldenlast wäre Bolligen wohlgemerkt die mit Abstand am stärksten verschuldete Gemeinde des Kantons. Es muss bezweifelt werden, ob die Gemeinde aufgrund der Zinsen noch funktionieren könnte. Je mehr Schulden wir anhäufen, desto mehr Zinsen müssen wir bezahlen, und desto kleiner ist unser Handlungsspielraum.
  • In dieser herausfordernden Situation spielt die Qualität der Investitionsplanung eine bedeutende Rolle. Sie bestimmt, wie gut die Gemeinde den Umgang mit bestehenden und zukünftigen Schulden planen kann. Wie wir der Jahresrechnung 2023 entnehmen können, hat die Gemeinde von den budgetierten rund 12 Millionen Franken effektiv Investitionen von rund 6.5 Millionen Franken getätigt. Das entspricht nur 56% der geplanten Ausgaben. Der Blick in die Ausgaben und der Vergleich mit den budgetierten Ausgaben zeigt: Die Minderausgaben gehen nicht auf Einsparungen zurück, sondern grösstenteils auf Verzögerungen. Wir finden diese Abweichungen unzureichend begründet und die Qualität der Investitionsplanung ungenügend.
  • Selbstverständlich ist die anspruchsvolle Finanzlage der Gemeinde das Ergebnis vieler Jahre. Wir sehen den aktuellen Gemeinderat nicht als allein verantwortlich dafür. Der Gemeinderat muss jedoch in jedem Fall umsichtig und vorausschauend mit den finanziellen Mitteln umgehen – selbst dann, wenn ein Jahr besser abschneidet als budgetiert. Jeder Franken zählt.
  • In Hinblick auf das Budget 2025 und den nächsten Aufgaben- und Finanzplan erwarten die Grünliberalen eine transparente, ambitionierte und aber auch eine ehrliche Finanzplanung. Die Qualität der Investitionsplanung muss dabei deutlich verbessert werden.